Antisemitismus - Aufruf zur Wachsamkeit
26. Sep 2018
Antisemitismus in Deutschland – Aufruf zur Wachsamkeit
Die Vorfälle eines offenen, aggressiven Antisemitismus häufen sich. Der Angriff auf das jüdische Restaurant in der Nähe vom Hauptbahnhof in Chemnitz am 27.08.2018, als maskierte Männer das Restaurant mit Steinen, Flaschen und abgesägtem Stahlrohr angriffen, wurde durch die Medien bekannt gemacht. Der Besitzer bekam obendrein zu hören: „Hau ab aus Deutschland, du Judensau“. Er berichtete, dass es auch schon früher Anfeindungen gegeben habe, ihn aber die neue Gewalt sehr verunsichere, so sehr, dass er oft über seiner Kippa noch einen Hut aufsetze. Gleich ihm fühlen sich Juden in Deutschland zunehmend bedroht. Manche jüdischen Mitbürger verlassen angesichts des offen ausgetragenen Antisemitismus Deutschland, zum Beispiel jüdische Schüler, die deshalb in ein israelisches Internat wechseln.
Dieser ungebremste Antisemitismus, der sich besonders in den sozialen Netzwerken generiert, wird als existentielle Bedrohung empfunden. Offensichtlich bricht jetzt aggressiv aus, was schon lange schwelte. Antisemitische Vorurteile, Ressentiments und Stereotype in ihrer jahrhundertealten Geschichte kennzeichnen die Moderne. Deren kapitalistische Gesellschaftsform bietet in ihren Krisen immer wieder Anknüpfungspunkte, diesem virulenten Antisemitismus zum Ausbruch zu verhelfen.
In Deutschland sind durch die Bielefelder Forscher um Heitmeyer rechtspopulistische Einstellungen von 20 Prozent der Bevölkerung, die auf der Basis eines Musters von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und autoritärer Aggression ermittelt wurden, schon seit Jahren nachgewiesen. Ohne andere Formen des Antisemitismus – des sekundären und des strukturellen, den es auch links gibt – zu vernachlässigen, wird deutlich, dass die neue Aggressivität vor allem durch den Rechtspopulismus geschürt wird.
pax christi im Bistum Trier tritt angesichts der jüngeren deutschen Geschichte mit dem kollektiven Mord der Juden (Shoa) dafür ein,
· dass Juden wie auch andere Minderheiten ohne Angst vor Diskriminierung und Bedrohung in Deutschland leben können,
· dass die Kirchen sich in aller Deutlichkeit von diesen Tendenzen distanzieren und sich öffentlich in Verlautbarungen und Gottesdiensten mit ihren jüdischen Mitbürgern solidarisieren – es darf in den Kirchen, deren Botschaft ihre Wurzeln im Judentum hat, nicht geschwiegen werden, wenn Juden diskriminiert, attackiert oder in sonstiger Weise an den Pranger gestellt werden,
· dass Politik es nicht bei verbalen Verurteilungen von Antisemitismus belässt, sondern Gegenstrategien entwickelt,
· dass Lehrer und Schulleitungen das Thema Antisemitismus im Unterricht bearbeiten und bei entsprechenden Vorkommnissen intervenieren, um die Vorurteile aufzubrechen,
· dass in sozialen Gruppierungen, die für Judenfeindlichkeit besonders anfällig sind, ein offener Dialog initiiert wird, der auch deren sozialpsychologische Situation in den Blick nimmt,
· dass in der Öffentlichkeit besonders auch in den Medien der Unterschied von freier Meinungsäußerung und Diskriminierung konsequent thematisiert wird.
Es ist für uns unerträglich, dass Juden in Deutschland wieder Angst haben müssen. Wir dürfen nicht erst wach werden, wenn Angriffe und Diskriminierung alltäglich werden.
Erklärung des Vorstandes von pax christi Bistum Trier vom 26.09.2018